Braune
Wachswalzen stellen die Urform der Edison-Wachswalze dar und wurden
erstmalig 1888 hergestellt. Die Idee der Wachswalze ist jedoch nicht
Edison zuzuschreiben, sondern beruht auf den
Entwicklungsarbeiten von Chichester Bell und Charles Sumner Tainter
und wurde von Alexander Graham Bell finanziert. Statt Zinnfolie kam
man 1884 auf die Idee, eine Wachsmischung einzusetzen. Ihre
Phonographen (und später auch Grammophone) nannten sie Graphophone, ein
simples Wortspiel. 1886 stellten Bell und Tainter ein vollständiges
Diktiersystem vor, das auf mit einer dünnen Wachsschicht überzogenen
Pappwalze Aufzeichnungen von mehreren Minuten machen konnte. Auch hier
war der angedachte Einsatzort das Büro und Tainters Bemühungen nach
einer Kooperation mit Edison blieben erfolglos, da dieser unter keinen
Umständen mit Alexander Bell und "seinen Piraten" Geschäfte machen
würde. Nach 10 Jahren brachliegender Entwicklung war ihm nun deutlich
geworden, daß er "sein Baby" bei weiterer Untätigkeit verlieren würde.
1888 stellte Edison in einer ageblichen 72-Stunden-Schicht seinen
eigenen verbesserten Phonographen fertig, der interessanterweise
ebenfalls mit Wachswalzen arbeitete. Der Grundlegende Unterscheid war,
daß die Walze nun vollständig aus Wachs bestand und aufgrund ihrer
Stärke von etwa 6mm mehrmals abgeschliffen und wiederbespielt werden
konnte - ein wahrhaft genialer Schachzug. Aufgrund gegenseitiger
Patentansprüche blieb es zwischen Bell und Edison weitestgehend bei
einem "kalten Wirtschaftskrieg" der hauptsächlich in Form von
Konkurrenzproduktion ausgetragen wurde. Dabei gewannen die
Graphophone-Geräte und die unter der Firma Columbia gefertigten Walzen
eine entscheidende Bedeutung für den Unterhaltungsmarkt. Edisons
Format von 1888 setzte sich dabei als einheitlicher Standard durch.
Ein überwiegender Anteil kommerzieller Aufnahmen wurde bis in die Mitte
der 1890er Jahre durch Direktaufnahmen produziert, d.h. der Kunde
erhielt normalerweise eine Originalaufnahme. Schon sehr früh suchte man
nach Kopiermöglichkeiten um die Gewinne zu erhöhen, da die
Künstlergagen lediglich nach Aufnahmesitzung bezahlt wurden.
Eine
Großindustrie kostenintensiver Verwertungsgesellschaften bestand noch
nicht. Erste Versuche bestanden darin, einen abspielenden Phonographen
über einen Gummischlauch mit einem aufzeichnenden Phonographen zu
verbinden. Die Klangqualität dieser Kopien war alles andere als
zufriedenstellend, jedoch gut genug um sie zu verkaufen.
Eine
brauchbare Lösung fand sich im sog. pantographischen Kopierverfahren
bei dem mittels einer speziellen Kopiemaschine die vorbespielte Walze
abgetastet und deren Amplitude analog auf eine Leerwalze aufgezeichnet
wurde. Die Klangqualität war so schon deutlich besser und durch
entsprechende Justage ließ sich sogar eine leichte Tonverstärkung
erzeugen. Von einer Originalwalze ließen sich so ungefähr 100 Kopien in
verkaufsfähiger Qualität anfertigen.
Elektrische Verstärkung existierte auf viele Jahre hinaus noch nicht.
Braune
Wachswalze der Columbia Phonograph Company, 1899
Braune Wachswalzen wurden kommerziell ab 1902 durch die von Edison
eingeführten Goldgußwalzen (auch Hartußwalze genannt) abgelöst. Die
letzten kommerziell bespielten Walzen aus braunem Wachs wurden
vorwiegend in Europa von kleinen Labels bis etwa 1906 gefertigt. Eine
verläßliche Datierung ist daher nur mit enstprechenden
Firmendiskografien oder anderen Referenzen möglich. Oft
wurden auch pantographische Kopien verkaufsfördernd als
Originalaufnahmen angepriesen, eine klare Täuschung des
Kunden.
Columbia stellte im Zeitraum von 1902 bis 1904 auch Gußwalzen aus
braunem Wachs her, stellte dann aber auf den schwarzen Hartguß um.
Edison Studio-Pantograph, ca. 1899 Hier im Testbetrieb abgebildet
mit einer Goldgußwalze von 1907
die auf eine neue braune Leerwalze kopiert wird.
Hören Sie hier den Vergleich in Stereo (Links: Kopie, Rechts: Original)
Als
angedachtes Luxusprodukt führte Columbia 1898 ein eigenes Walzenformat
mit 5" im Durchmesser ein. Diese sog. Grand Graphophone Walzen
benötigten entsprechende Phonographen und boten ebenfalls nur die
gleiche Aufnahmekapazität von 2 bis 3 Minuten. Durch die erhöhte
Oberflächengeschwindigkeit wurde die Wiedergabelautstärke und
Klangfülle deutlich verbessert. Edison zog ein Jahr später mit seinen
Concert-Walzen nach. Das Format konnte sich aber nicht etablieren. Der
Preis betrug teilweise über das Doppelte einer Standardwalze und auch
die Handhabung war umständlicher. Mit Einführung der Goldgußwalzen war
der Klangvorteil auch nicht mehr gegeben und die separate Produktion
wurde ebenfalls 1902 eingestellt. Auch andere Hersteller wie Lambert,
Pathé (Frankreich) oder Edison-Bell (England) boten für einige Jahre
Concert-Walzen an, blieben aber auch entsprechend erfolglos. Besitzer
von Concert-Phonographen konnten jedoch noch 1909 Walzen aus den
aktuellen Katalogen bestellen, diese waren dann aber nur noch
pantographische Kopien einer Standardwalze, natürlich so ohne
Klangvorteile.
"Graphaphone"
statt "Graphophone":
Rechtschreibfehler im eigenen Produktnamen auf
Columbias Walzenboxen, der mehrere Jahre unentdeckt blieb.
Gebrauch und Handhabung
Braune
Wachswalzen sind besonders empfindlich, denn als direktbespielte Walzen
ist das Wachs weicher als das der späteren Gold-/Hartgußwalzen aus
schwarzem Wachs. Auf Phonographen sollten diese Walzen möglichst wenig
gespielt werden, da sie sich vergleichsweise schnell abnutzen und sich
so der Rauschabstand merklich verringert. Im Effekt wird die Aufnahme
also mit jedem Abspielvorgang konsequent leiser. Vieler dieser
Walzen haben daher oder auch schon durch die unausgereifte
Aufnahmetechnik eine sehr geringe Wiedergabelautstärke. Hier bietet
sich die Digitalisierung mittels moderner Abtastsysteme mit
deutlich geringerem Auflagegewicht an.
Ab
einer Umgebungstemperatur von über 25°C sollten diese Walzen nicht auf
einem Phonographen abgespielt werden, da sich die Abnutzung bei Wärme
deutlich erhöht.
Für
das mechanische Abspielen mit einem Edison-Phonographen darf nur eine
geeignete Schalldose verwendet werden. Generell eigenen sich für braune
Wachswalzen die Schalldosen vom Typ Automatic und Model B (nicht
Diamond B!). Spätere Schalldosen wie die weit verbreitete Model C haben
einen ungeeigneten Saphir in Türknaufform und sollten ebenso wie Model
K, H und O nicht mit braunen Wachswalzen verwendet werden! Vergewissern
Sie sich unbedingt vor dem ersten Test, da der Gebrauch einer falschen
Schalldose im schlimmsten Fall bereits beim ersten Versuch einen
bleibenden Schaden an der Walze hinterläßt!
Aufgrund
der langen Produktionsspanne finden sich sämtliche denkbaren
Abspielgeschwidgkeiten vor, die in nahezu allen Fällen zwischen 90 und
185 UpM liegen. Oft liegt die passende Geschwindigkeit jedoch zwischen
120-160 UpM. Obgleich es häufige Standardgeschwindigkeiten von 120,
125, 140, 144 und 160 UpM gab, so sind diese gerade bei braunen
Wachswalzen eher willkürlich gewählt. Für eine genaue Justage bedarf es
eines guten Gehörs und geduldiger Tonlagenvergleiche. Nicht selten
ergeben sich so korrekte Umdrehungsgeschwindigkeiten von beispielsweise
136 UpM.
Ein Problem
welches alle Wachswalzen betrifft ist der Befall durch Schimmelpilze.
Dieser wird durch Feuchtigkeitsstau in der Walzenbox bzw. allgemeinem
"Kellerklima" stark begünstigt. Problematisch ist der Schimmelbefall,
weil der Pilz sich meist auf der Rillenoberfläche niedergelassen hat
und sich dort vom Wachs ernährt. Dabei werden die befallenen
Rillenbereiche unwiederbringlich zerstört und hinterlassen eine
mikroskopische Mondlandschaft. Bei der Wiedergabe ist ein deutliches
Kratzen oder Rauschen zu vernehmen. In der Regel ist der Schimmelpilz
bereits abgestorben und nicht mehr wiederbelebbar. Pilzsporen sind
jedoch praktisch allgegenwärtig und eine Wachswalze läßt sich auch
nicht sterilisieren. Deshalb es sollte tunlichst auf allgemeines
Wohnraumklima geachtet und den Walzen eine gewisse
Lüftungsmöglichkeit
gegeben werden, indem der Deckel einer Walzenbox nicht vollständig
geschlossen wird. Alternativ bieten sich kleine Päckchen mit
Feuchtfresser (sog. Silica Gel) an. Diese können mit der Walze in ihrer
verschlossenen Box aufbewahrt werden und verhindern so aktiv die
Feuchtigkeitsbildung. Schimmelpilzbefall erkennt man leicht an
hellbraunen bis weißen Flecken (siehe Abbildung). Bei sehr starkem
Befall kann auch die gesamte Walzenoberfläche einen derartigen Belag
aufweisen. Bei entsprechendem Raumklima ist die Aufbewahrung einer
Walze in deren Originalbox bei entsprechendem Zustand unproblematisch.
Für besondere Zwecke sind auch neue Archiv-Boxen aus säurefreiem Karton
erhältlich. Diese eignen sich aber in der Regel nicht für den Transport.
Schnelle
Temperaturschwankungen müssen auf jeden Fall vermieden werden,
andernfalls führt dies schnell zu Haarrissen und somit zum
wirtschaftlichen Totalschaden einer Walze. Die Rillenoberfläche darf
generell bei keiner Wachswalze berührt werden. Ein hinterlassener
Fingerabdruck kann mit dem Wachs über einige Wochen oder Monate
reagieren und hörbare Flecke hinterlassen. Diese Flecke lassen sich
dann nicht mehr entfernen.