Blue Amberols
Edison Blue Amberol Walze, ca. 1914
Die nach der Einführung der Amberol-Walzen aus Wachs sehr schnell auftretenden Abnutzungserscheinungen waren einer der Hauptgründe zur Weiterentwicklung der 4-Minuten Walzen. Das Ziel war eine Walze zu schaffen, die insbesondere durch ihre größere Robustheit als auch bei häufigem Abspielen keine nennenswerten Verzerrungen aufweisen würde. Dieser Anforderung entsprach Edison im Jahr 1912 mit seinen neuen Blue Amberol-Walzen.
Zelluloidwalzen waren schon seit über 10 Jahren auf dem Markt gewesen, jedoch aufgrund bestehender Patente nicht von Edison verwendet. Dieser durfte mangels entsprechender Lizenzen dieses Material nicht zur Walzenproduktion verwenden. Erst 1912 gelang Edison in Besitz der Patente der bereits seit 1906 nicht mehr existenten Lambert Company of Chicago. Andere Firmen wie Columbia oder US Everlasting hatten sich diese Technik schon früher lizensieren lassen und fertigten ca. 1908 eigene Zelluloidwalzen (sog. Indestructibles) in großem Stil.
Edison hatte in seinem Laboratorium auch mit anderen harten Materialien experimentiert, auch mit Schellack. Jedoch erwieß sich Schellack für die Walzenfertigung als ungeeignet. Auch eine Walze mit 8 Minuten Spielzeit wuchs über den Laborstatus nicht hinaus.
Jeder
Hersteller von Zelluloidwalzen hatte die eigenen leicht modifiziert,
insbesondere ging es darum, den Schrumpfeffekt des Zelluloids zu
verhindern. Dieses Problem zeigte sich bei den Lambert-Walzen schon
nach wenigen Jahren, da die Walze mitunter nicht mehr vollständig auf
den Träger paßte. Auch Edison gebrauchte einen inneren Kern, der den
äußeren Zelluloidmantel stützen sollte. Statt Pappe oder Metall goß
Edison in die eigenen Blue Amberols einen Gipskern, der eine
hervorragende Festigkeit besaß. Gips war zweifelsohne in der
Herstellung deutlich preiswerter als eine komplexe Konstruktion aus
gewickelter Pappe und Metallringen. Gleichzeitig
mit der Einführung Edisons neuer "Wunderwalze" wurde die Produktion der
2-minütigen Walzen vollständig eingestellt. Lediglich eine handvoll
andere Firmen stellten diese noch für einige Jahre her. Die Blue
Amberols waren vollständig mit den bestehenden 4-Minuten-Phonographen
spielbar, dabei aber wesentlich widerstandsfähiger. Die vorherigen
Amberol-Walzen aus Wachs wurden nahezu übergangslos vom Markt genommen.
Sehr viele der bis dahin als Wachs-Amberol erhältlichen TItel wurden
unter Verwendung derselben Matrize dann als Blue Amberol
weiterveröffentlicht. Daher findet man identische Aufnahmen von
1908-1912 auf beiden Walzentypen vor.
Die ersten Blue Amberol-Walzen hatten, wie die Wachs-Amberols, ein
flaches Titelende. 1913 wurden die Blue Amberols dann mit schrägem
Titelende hergestellt, wie es bei den 2-minütigen Goldgußwalzen schon
üblich war.


Blue Amberols sind in der Regel recht robust und widerstandsfähig, sind jedoch relativ empfindlich gegen Feuchtigkeit und niedrige Temperaturen. Der innere Kern aus Gips nimmt über längere Zeit die Feuchtigkeit auf und dehnt sich dabei aus. Dies hat zur Folge, daß die Walze von innen heraus "anschwillt" und nicht mehr vollständig auf den Träger paßt. Abhilfe schafft hier ein spezieller Konus aus Holz oder Hartgummi, der mit einem oder mehreren Streifen Schmirgelpapier besetzt ist. In wenigen Minuten läßt sich eine Blue Amberol damit wieder auf Form bringen.
Niedrige Temperaturen bedeuten vor allem in Verbindung mit starker Erschütterung Bruchgefahr, da das Zelluloid unter diesen Bedingung besonders brüchig ist. Durch den festen Gipskern konnte das Zelluloid zwar nicht schrumpfen, dies hat jedoch den fortwährenden Zug auf das Zelluloid erhöht. Nicht selten haben Blue Amberol am unteren Ende, gelegentlich auch am Titelende feine Risse, die nicht in die Rillen gehen. Unter ungünstigen Bedingungen können derartige Risse jedoch fortschreiten und die Walze vollständig zerstören. Diesen Effekt kann man durch regelmäßiges Prüfen der Enden verhindern. Das Ende eines Risses kann dann mit einem feinen Millimeterbohrer verrundet werden. Dies verhindert, daß der Riß sich weiter ausdehnt.
Im
Gegensatz zu Walzen aus Wachs dürfen auch die Rillen mit den Fingern
berührt werden, sollte aber wie bei Schallplatten auch vermieden werden.Zur
Wiedergabe mit einem Edison-Phonographen empfieht sich eine Schalldose
vom Typ H, K, S, R oder O. Die Wiedergabe mit den schwereren
Diamond-Schalldosen auf einem Amberola-Phonographen ist auch möglich.
Die Standardgeschwindigkeit beträgt hier ebenfalls 160 UpM, jedoch
wurde diese oft bei den kopierten Blue Amberols nicht annähernd
eingehalten. So wurde z.B. die Blue Amberol mit der Nummer 5430 mit
152.5 UpM aufgenommen und klingt bei der üblichen
Standardgeschwindigkeit entsprechend unnatürlich.
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